5 Gründe, warum Gemeindemitglieder nicht (mehr) dienen

Es ist landauf, landab das gleiche Bild – Kirchen erwachen aus ihrem „Coronaschlaf“, fahren die Programme und Angebote wieder hoch und sind bereit wieder Gas zu geben, doch stellen voller Erstaunen fest, dass die Teams, die doch immer so reibungslos liefen, bis auf ihre Grundfeste eingestampft sind. Doch warum ist das so? Wo sind die all die Mitarbeiter und Leiter hin? Alles auf „Gewohnheit und Faulheit“ zu schieben ist zwar ein einfacher, doch wie ich finde, zu kurz greifender Gedanke. Nur wenn wir wissen, warum Menschen nicht mehr, oder noch nicht, aktiv Teil des Gemeindelebens sind, können wir die strategischen Maßnahmen ableiten, die es braucht, um aktiv gegenzusteuern.

Innerhalb meiner Gemeindeberatungen und Konversationen mit Pastoren, Leitern und auch ehemals aktiven Mitarbeitern und Leitern, sind mir folgende 5 Gründe am häufigsten aufgefallen:

1. Priorität

Gerade in den vergangenen 2 bis 3 Jahren haben sich die Gewohnheiten vieler Christen dramatisch verändert. Während pre-Covid regelmäßige Gottesdienstbesuche und das Einbringen in Teams eine Selbstverständlichkeit war, erleben Pastoren und Leiter post-Covid einen bisweilen dramatischen Rückgang dieser Disziplinen. Schließlich blieb diese, durch diverse Lock-Downs verursachte, Lücke am Sonntagmorgen nicht lange leer: vermehrte Wochenendaktivitäten, Brunchen, und Ausschlafen traten schnell an ihre Stelle. Tatsächlich ist dieser Sachverhalt jedoch keine Frage der Kapazität, er ist eine Frage der Priorität. Daher kann ich Pastoren und Leiter nur ermutigen: Wenn ihr euch sicher seid, dass es sich bei einem bestimmten Individuum um eine Verschiebung der Prioritäten handelt, dann fordert das in Liebe heraus.

 

Der Ansatz:Herausforderung (vgl. Lk 14,15-21; Mt 6,33)

Fordere diese Menschen in Liebe heraus, ihre Prioritäten neu zu überdenken. Wie möchten sie ihr Leben gestalten – oder viel wichtiger noch: Wofür möchten sie ihr Leben geben? Jesus nachzufolgen ist keine Entscheidung, die man einmal trifft und dann langsam in den Hintergrund rückt. Vielmehr ist sie eine tägliche Entscheidung unsere Prioritäten nach IHM auszurichten. 

2. Minderwertigkeit

Einige Menschen fühlen sich in ihrer Gemeinde unsicher oder fürchten, dass sie nicht gut genug, oder gar heilig genug sind, um zu dienen. Sie werden kontinuierlich von einer subtilen Angst begleitet, Fehler zu machen oder abgelehnt zu werden. Wenn wir diese Menschen mit dem Ansatz „Herausforderung“ begegnen, zahlen wir genau auf diese Angst ein und wirken so kontraproduktiv auf sie.

 

Der Ansatz: Ermutigung

In 1. Tim 4,12 ermutigt Paulus seinen jungen Schüler Timotheus mit den Worten: „Niemand hat das Recht, auf dich herabzusehen, nur weil du noch jung bist. Sei den Gläubigen ein Vorbild in allem, was du sagst und tust, ein Vorbild an Liebe, Glauben und Reinheit.“ Offensichtlich war Timotheus unsicher und von einem Gefühl der Minderwertigkeit geplagt, weil er noch sehr jung war. Doch Paulus ermutig ihn und spricht spezifisch in diese Situation hinein: „Du bist genau der Richtige für diesen Job! Gott liebt dich und will dich gebrauchen, um sein Reich zu bauen!“ Diese Worte verfehlen ihre Wirkung nicht und ich bin überzeugt wir können sie gar nicht oft genug über den Menschen unserer Kirchen aussprechen. 

3. Vorbehalte

Ein weiterer Grund, warum Gemeindemitglieder nicht (mehr) dienen, können Vorbehalte sein, da sie befürchten, dass ihre Grenzen nicht respektiert werden könnten. Es ist wichtig, dass Gemeindeleiter und andere Mitglieder die Bedenken und Ängste ernst nehmen und den Mitgliedern helfen, sich sicher und geschätzt zu fühlen. Es ist gut möglich, dass sie in der Vergangenheit übergriffige Leiter erlebt haben, die Grenzen nicht akzeptiert und immer mehr gefordert haben, als sie in der aktuellen Situation geben konnten.

 

Der Ansatz: Klarheit und Grenzen

Damit Menschen sich verbindlich und sicher einbringen können, sind sie darauf angewiesen, dass die Erwartungen, das zeitliche Investment und die Rahmenbedingungen klar aufgezeigt werden. Nicht jeder Mensch ist in der Lage dazu, selbst klare Grenzen zu setzen und „Nein“ zu sagen- was dazu führt, dass diese Menschen von jetzt auf gleich ihren Dienst niederlegen und nicht mehr gesehen sind. Wir als Leiter und Pastoren müssen daher behutsam und selbstkritisch genug sein, um zu kommunizieren, was wir erwarten und was nicht – und uns dann auch daranhalten. Natürlich ist es normal, dass dann und wann einmal eine Extrameile nötig ist, doch das MUSS die Ausnahme bleiben und darf nicht die Regel sein.

4. Unwissenheit

Einige Menschen sind sich nicht bewusst, wie wichtig ihr Beitrag für das gesunde Gemeindeleben sind, oder sie wissen nicht, wie und wo sie helfen können. Sie kommen regelmäßig in den Gottesdienst und besuchen vielleicht sogar eine Kleingruppe, aber für sie besteht der Eindruck, dass alles super läuft und das eigene Involvment überhaupt nicht von Nöten ist. Vielleicht herrscht auch Unwissenheit darüber, WIE sie überhaupt Teil eines Teams werden können.

 

Ansatz: Informationen

Der Ansatz, den wir hier fahren sollten, ist Information. Macht es den Menschen so leicht und so klar wie möglich, sich einzubringen. Sprecht offen über Defizite in Teams und über die Wichtigkeit des Dienens jedes Einzelnen. Paulus gebraucht im 1. Kor 12  die Metapher eines Körpers, in der er die Wichtigkeit betont, dass jedes einzelne Körperteil seinen Beitrag zum großen Ganzen liefert. Denn wenn jedes Teil der Gemeinde sich einbringt mit seinen individuellen Gaben und Fähigkeiten, bauen wir eine gesunde Gemeinde, die Hoffnung, Leben und Jesus selbst in diese Welt trägt.

5. Wertekonflikt

In manchen Fällen kann es zu einem Konflikt zwischen den Werten oder der Theologie eines Individuums und denen der Gemeinde kommen. Dies kann dazu führen, dass sich jemand unwohl fühlt, aktiv zu dienen, oder dass er sich sogar dazu entscheidet, aus der Gemeinde auszutreten.

 

Ansatz: Annahme

Dieser Punkt ist der komplexeste in dieser Aufzählung, denn manchmal kann es in der Tat besser sein, „Reisende nicht aufzuhalten“. Nichtsdestotrotz möchte ich hier eine Lanze dafür brechen, nicht unsere eigenen Werte- und Glaubenssätze dazu zu gebrauchen, um Menschen davon abzuhalten, ihren Beitrag in der Gemeinde zu leisten. Natürlich würde ich niemals empfehlen, Menschen, die zweifelsfrei einen Werte- oder tiefgreifenden theologischen Konflikt mit der Kirche haben, mit Führungs- oder Plattformaufgaben zu betrauen. Und doch meine ich, dass auch diese Menschen einen Platz im Haus haben sollten, an dem sie sich einbringen können. Sie sind ebenso willkommen, wie jede andere Person auch. An dieser Stelle ist es wichtig, dass sie in einem Team mitarbeiten, das von einer starken Leitungspersönlichkeit geführt wird, die in der Lage ist, gut auf diese Person einzugehen – sie zu lieben, ohne zwangsläufig mit ihr übereinzustimmen. Und die gut darin ist zu verhindern, dass die Einzelmeinung der Person nicht im Team um sich greift. Wenn diese Prämissen erfüllt sind, dann besteht die realistische Chance auf echte Jüngerschaft, Freundschaft und Entwicklung. Und das ist es doch, worum es schließlich in jedem Team gehen sollte. 

Wir sehen also, dass es nicht nur diesen einen offensichtlichen Grund gibt, warum Menschen nicht ihren Platz in der Kirche einnehmen. Das fordert uns heraus – darin, individuell und pastoral Menschen zu führen und auf sie einzugehen, uns neue Führungsqualitäten anzueignen und uns selbst kontinuierlich weiterzuentwickeln. Tatsache ist, nicht jedes Problem ist ein Nagel – daher ist der Hammer auch nicht immer das Werkzeug erster Wahl!

Ich bin gespannt zu hören, welche Erfahrungen ihr in euerm Alltag gemacht habt!

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Autor: Alex Landmann

 

Alex berät in Deutschland, Österreich und der Schweiz Gemeinden, um ihnen zu helfen, ihre Berufung zu entdecken und zu leben. Er lebt in Düsseldorf, ist mit Silke verheiratet und Vater zweier Töchter.

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